Samstag, 27. Juli 2024

Mal ein Buch aufschlagen


Foto zur ergänzenden Illustration des Beitrag: Bildausschnitt aus dem Bad Wildunger Altarbild des Conrad von Soest, 1403. Es zeigt den ersten Brillenträger in der europäischen Kunstgeschichte.

Bei meinem Besuch der Bibliothek Brehm-Stiftung im Schloss des früheren Fürsten von Waldeck in Bad Arolsen habe ich gestaunt.  45 000 Bücher vom Mittelalter bis in unser Jahrhundert hatte der Schweizer Sammler Brehm in seinem Leben zusammengetragen und in einer Stiftung zugänglich gemacht. Es gibt Handgeschriebenes auf Pergament, die ersten Gutenberg-Bibeln in deutscher Sprache, etwa 30 Jahre vor Luther! Daneben viele wertvolle Erstausgaben und bibliophile Drucke.

Unsere Führerin zeigte uns, wie der Zugang zum Buch im Spätmittelalter war: In einem großen Lesesaal wurden die wertvollen, in Holz und Leder eingebundenen Bücher angekettet.   Die Buchdeckel waren verschlossen mit zwei Scharnieren. Wer ein Buch öffnen wollte, musste es aufschlagen. Das geschah durch einen Schlag auf jedes Scharnier, erst dann ging das Buch auf.


Was für eine Sammlung von großen Werken aus Literatur und Wissenschaft! Schöne Bücher zum Aufschlagen. In Bad Arolsen im Waldecker Land.


Der Stifter lebte bis ins hohe Alter in einer kleinen Wohnung  oberhalb der Bibliothek. Man gelangte über eine hohe Treppe zu ihm, vor der sich sein Arbeitsplatz befand. Nicht sonderlich erwünschte Besucher mussten auf der Treppe ganz unten stehen bleiben. Nur wenige durften bis zu seinem Arbeitsplatz hochkommen oder gar die Privaträume betreten. 




Montag, 8. Juli 2024

Nasen im Westerwald


Überall in Deutschland wird gewandert. Es gibt gut beschilderte Wanderwege allenthalben. Besonders schön ist es, wenn die Wanderstrecke durch ein Flusstal führt und ein Gewässer per Brücke zu überqueren ist. Dann stehst du auf der Brücke, dein Blick geht ins Wasser und du freust dich, wenn du ein Fischlein siehst. 

So ging es auch mir am letzten Wochenende, als ich im Westerwald im Niestertal unterwegs war und auf der neu errichteten Brücke in Helmeroth stand.

Da, Fische! - Aber das sind ja gar keine Forellen, wie es sich für einen so wild und schnell fließenden Fluss gehört!


Wie überall gibt es auch hier eine sachkundliche Informationstafel, denn der deutsche Wanderer soll alles wissen, was die Experten aus dem Gewässer- und Artenschutz, aus der Erdgeschichte oder aus der legendenreichen Heimatkunde mitzuteilen haben.


In Helmeroth sind es die Nasen, die man kennen muss. Es ist eine Fischart, die früher so reichlich vorkam, dass es geradezu schwarz wimmelte und ein Fischnetz beim ersten Beutezug schon voll war. So lesen wir. 


In neuester Zeit werden Nasen gezüchtet und in die Gewässer eingebracht. Denn sie haben die Eigenart, dass sie große Algenflächen regelrecht abweiden und dadurch Lebensraum für viele Arten schaffen und für klares Wasser sorgen.


Wer dieses schöne Öko-Spiel mit eigenen Augen sehen will, dem empfehle ich, eine Wanderung ins Niestertal und eine Pause mit Fischbeobachtung auf der neuen Brücke in Helmeroth. 


Danach weißt du: Nasen sind eben nicht einfach nur Nasen. 

Donnerstag, 4. Juli 2024

Zum Drudenborn





Mit dem Fahrrad nach Hennef an der Sieg. Da kommen etwa  30 Senioren angeradelt. Sie machen eine vom Bonner ADFC geführte Tour ins Hanfbachtal.


„Fahr doch mit!“

Das lasse ich mir nicht zweimal sagen, denn das Ziel klingt vielversprechend. Es geht zur 18 Kilometer entfernten Quelle des  Hanfbaches, zum Drudenborn.


Drudenborn? - Born, Quelle,Brunnen. Aber Druden? In der Volkskunde weiß man Bescheid. Es sind Geister aus germanischer Zeit, Frauengestalten, die Albträume und unruhigen Schlaf, sogar Depressionen verursachen. 


An der kleinen Quelle angekommen - immerhin fördert sie 14 Liter Wasser pro Minute-, freuen wir uns über eine kleine Rast am sauber eingefassten plätschernden Quell unter zwei hundertjährigen Eichen. Wir lesen, dass dem Wasser im Mittelalter heilende Kräfte zugesprochen wurden. Wer es trinkt, kann die Druden mit ihrem  Drücken im Kopf und auf den Leib vertreiben.


“Der ADFC hat‘s“, denke ich, „radeln und die Druden vertreiben.“


Oder wird die radelnde Seniorengruppe, darunter gewiss auch ein paar Alt-Achtundsechziger, von der Magie des Ortsnamen „Hanf“ inspiriert?


Das amtliche Ortsschild ist ungewöhnlich; statt des Ortsnamens lesen wir: „Geschlossene Ortslage Ersatz-Ortstafel, Rhein-Sieg-Kreis“.


„Was ist denn hier los? Wird hier in geschlossener Gesellschaft gekifft?“ -

„Nein, die Schilder werden wegen des schönen Namens ˋHanf´ immer geklaut.“ 

Zudem hat der Name nichts mit Hanfanbau zu tun, sondern ist abgeleitet von einem germanischen Wort mit der Bedeutung „Tosender Fluß“.


In Kircheib, Westerwald, Rheinland Pfalz, geht es ins Bierhäusel, wo wir uns stärken. Lecker das Bier! Und das Tagesgericht mit Bratwurst, Rotkohl und Salzkartoffeln! Danach haben die Druden keine Chance mehr.