Bordeaux, Straßenbahnhaltestelle „Barrière du Médoc“.
Da sehe ich moderne Kunst an der Fassade eines Wohngebäudes, das den Charme eines Parkhauses hat.
«Zement-Bilder, irgendwie Picasso», höre ich jemanden sagen. Zwischen den Bildmotiven findet man kurze Textzitate von Cocteau, Saint Exupéry, Aristoteles und… -
Moment mal: « Penser c’est facile ».
Das heißt, „Das Denken ist leicht“.
Wenn das nicht was Deutsches ist!
Ich lese weiter.
Da haben wir es, da steht (in meiner Übersetzung): „Das Denken ist leicht, handeln ist schwer, dem eigenen Denken gemäß zu handeln ist die schwierigste Sache der Welt. - Goethe“.
Aber irgendwas stimmt nicht.
In bekannten Zitatensammlungen geht das Goethe-Wort aus Wilhelm Meisters Lehrjahre anders: „Handeln ist leicht, Denken schwer; nach dem Gedanken handeln unbequem.“
Fragen wir doch mal im deutschen Kulturinstitut, dem Goethe-Institut nach.
Goethe wohnt in Bordeaux in einem schönen großbürgerlichen Haus mit feiner Bibliothek. Bildbände über Bauhaus und deutsche Kunst. Ein ganz dickes, großes Buch fällt auf: „Die deutsche Seele“.
Mal schauen, ob ich die finde. Etwas spontan mein Besuch. Als Blogger komme ich einfach so reingeschneit. Aber ich kenne doch das Haus von früher, als der inzwischen verstorbene Freund Uwe die Spracharbeit aufbaute.
Große Ausstrahlung damals in die Schulen. Das war der Breitensport der Kulturpolitik. Aber in neuerer Zeit ging das Deutschlernen an Frankreichs Schulen zurück und Goethe machte die Spracharbeit platt. Vorerst blieb das Schöngeistige für die Hochkultur.
Ich nähere mich derselben. Eine deutsche Kulturfrau räumt gerade den Schreibtisch auf in ihrem großzügig und repräsentativ wirkenden Büro. Sie hat keine Zeit und fertigt mich kurz ab. Ich soll mich an die junge Bibliothekarin im benachbarten Zimmer wenden.
Aber die Bibliothekarin darf zur geplanten Schließung des Instituts in Bordeaux nichts sagen. Sie gibt mir stattdessen die Presseerklärung der Direktorin:
Ja, Goethe macht dicht. Am 15. Dezember. Die Rede ist von einer neuen geostrategischen Ausrichtung der deutschen Kulturpolitik.
Vorgestoßen wird jetzt nach Osteuropa und in die zentrale USA.
Adieu Goethe in Bordeaux! -
„Es lebe die Deutsch-Französische Freundschaft!“
Der Pulverkopp, z.Zt in Bordeaux